Viele Menschen tendieren dazu, das Leben etwas pessimistisch zu sehen. Wir regen uns über Kleinigkeiten auf und vergessen dabei, wie gut wir es eigentlich haben. Nicht so Roger Plattner. Und der hätte weiss Gott genügend Gründe, sich zu beklagen. Das tut er aber nicht. Roger ist Dialysepatient im Kantonsspital Graubünden (KSGR) und es ist bemerkenswert, wie er alles wegzustecken scheint, was ihm in den letzten knapp vier Jahrzenten widerfahren ist. Die (Kranken-)Geschichte eines Mannes, der vieles ertragen musste und dank seiner Frau, seinen Freunden und dem KSGR dennoch positiv in die Zukunft blickt.
Roger Plattner zusammen mit seiner Frau Brigitte.
Vor gut 35 Jahren wurde Roger Plattner von seinem damaligen Arzt eröffnet, dass er damit rechnen müsse, in Zukunft zur Dialyse zu gehen. Rogers Niere hatte angefangen ihre Tätigkeit – die Reinigung von Rogers Blut und Regulierung des Flüssigkeitshaushalts – einzustellen. Für Roger, damals Anfang zwanzig, war im ersten Moment nicht klar, was das für ihn bedeuten würde. Er hatte vor kurzem seine Lehre als Bäcker-Konditor abgeschlossen und stand in der Blüte seines Lebens.
Innerhalb eines halben Jahres setzten beide Nieren aus. 1985 hatte Roger seine erste Dialyse. «Das war damals noch im alten A-Gebäude des Kantonsspitals und die Dialysemaschinen waren noch Riesenkästen.» Eine Dialyse-Sitzung dauerte ungefähr fünf Stunden. «Kurz zuvor waren das noch sieben bis acht Stunden gewesen. Von daher hatte ich noch Glück.»
«Eigentlich ein Wunder, dass die Nieren so lange gehalten haben»
«Meine Nieren waren nicht nur kaputt, sondern auch noch viel zu klein. Ich hatte Schrumpfnieren» Rogers Nieren waren so klein, dass sie auf dem Ultraschall kaum zu erkennen waren. «Es war eigentlich ein Wunder, dass sie zwanzig Jahre durchgehalten hatten.»
Roger ist glücklich, dass er damals trotz Dialyse voll arbeiten konnte. «Als Bäcker arbeitete ich während der Nacht und konnte dann tagsüber zur Dialyse.» Erschwerend kam für Roger hinzu, dass er aufgrund seiner Erkrankung kein Wasser mehr lösen konnte. Auch heute noch. Das heisst, dass alle Flüssigkeit, die er zu sich nimmt, bei den Dialyse-Sitzungen gezogen werden muss. «Ich nehme zwischen den Sitzungen 2.5 bis 4 Kilo an Gewicht zu. Das ist, als würde man einen Ballon mit Wasser füllen und am Dialysetag unten eine Nadel reinstecken, um das Wasser wieder abzulassen.» Pro Tag sollte Roger im Schnitt 7.5 Deziliter Flüssigkeit zu sich nehmen.
Die erste Transplantation
Zwei Jahre nach Beginn der Dialyse landete Roger auf der Liste von Swisstransplant. «Mein Körper war immer schwächer geworden. Die Kaliumwerte in meinem Blut waren relativ hoch.» Bei jedem Telefonklingeln sprang Roger auf, in der Hoffnung, dass für ihn eine Niere gefunden worden war. Nach drei Monaten auf der Liste erhielt Roger endlich die erlösende Nachricht. «Da musste ich innerhalb von ein paar Stunden nach Zürich reisen, um die neue Niere zu transplantieren. «Das war eine super Niere und fühlte sich an wie ein Sechser im Lotto.» Mit dem Patienten, der damals die zweite Niere des Spenders erhalten hatte, ist eine tiefe Freundschaft entstanden. «Wir sind den ganzen Weg miteinander gegangen. Leider ist er vor einigen Jahren an Hautkrebs verstorben.»
Die Niere wird abgestossen
Roger musste regelmässig zur Kontrolle nach Zürich und nahm Medikamente, die verhindern sollten, dass sein Körper die fremde Niere abstösst. Bis 2002 hielt diese Niere. Über die 15 Jahre hatte sie jedoch Schaden genommen und wurde dann von Rogers Körper abgestossen. Die Ärzte hatten lange Hoffnung, dass alles gut komme. «Nach drei Monaten im Spital in Zürich wurde dann aber entschieden, dass es nicht mehr gehe.» Danach ging die Dialyse wieder los. Erst in Zürich, dann in Chur. Die Niere wurde vorläufig in Rogers Körper gelassen.
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Als wäre das Ganze nicht genug, haute ihm das Schicksal den nächsten Hammer vor den Latz. Bei Roger wurde Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert. «Das hatte aber keinen Zusammenhang mit der Niere.» Als Roger im Spital lag, kam eine Transplantatvergiftung hinzu. Roger lag auf der Intensivstation und seine Familie wurde darüber informiert, dass man sich nicht sicher sei, ob er überlebe. Er überlebte, die Niere wurde entfernt und Roger erholte sich langsam. Sieben weitere Jahre Dialyse standen ihm bevor.
Zwölf Lungenentzündungen in zwei Jahren
2009 wurde für Roger eine neue Niere gefunden. Diesmal im Spital St. Gallen. «Diese Niere funktionierte aber schon von Anfang an nicht so richtig. Ich musste nach der Transplantation weitere drei Monate zur Dialyse und die Niere arbeitete 50 Prozent.» Drei Monate verbrachte Roger im Spital St. Gallen. Danach musste Roger weiter regelmässig zur Kontrolle, da die Niere nur die halbe Leistung brachte. «Man hatte mir gesagt, dass sie zudem einen Virus habe. Der könne ausbrechen oder nicht. Natürlich brach er dann bei mir aus und hatte Einfluss auf meine Lunge.» In den zwei Jahren mit der neuen Niere hatte Roger ungefähr zwölf Lungenentzündungen.
Die zweite Niere versagt
2011 gab Rogers zweite transplantierte Niere auf. Sie wurde ihm entfernt und so geht Roger seither wieder regelmässig zur Dialyse im Kantonsspital Graubünden. Eine weitere Transplantation möchte er nicht mehr. «Für mich passt das so. Die Dialysestation im KSGR ist für mich wie eine Familie.» Aufgrund einer Durchblutungsstörung mussten ihm in den letzten drei Jahren die vorderen Teile seiner Füsse amputiert werden. «Dadurch bin ich nicht mehr sonderlich mobil – unabhängig von der Dialyse.» Roger meint, dass eine neue Niere jemandem mehr nützt, der noch mobil ist und der davon profitiert, wenn er nicht regelmässig zur Dialyse muss.
Viel Halt aus dem Umfeld
Rogers Frau Brigitte hat ihn während all der Jahre immer begleitet und ihm Kraft gegeben. «Aber auch meine Freunde und das Team des KSGR haben viel dazu beigetragen, dass es mir gut geht.» Bei der Dialyse treffe man auch immer wieder auf Menschen mit ähnlichen Schicksalen, mit denen man sich austauschen könne.
Die Dialysestation ist wie eine zweite Familie
Roger Plattner ist ein äusserst positiver Mensch. «Natürlich hatte ich in jungen Jahren mit meinem Schicksal zu kämpfen.» Schwierig sei der Moment gewesen, als er mit 37 nicht mehr arbeiten konnte. «Da habe ich schon gelitten und mir auch psychologische Hilfe geholt. Man hat halt in dem Moment das Gefühl, nichts mehr wert zu sein.» Das habe sich aber wieder gelegt. Heute sieht er die Dialyse als Möglichkeit, raus zu kommen. «An den Dialysetagen komme ich mal von zuhause weg und kann Autofahren, was ich sehr geniesse.» Die Menschen auf der Dialysestation seien über die Jahre für Roger wie eine zweite Familie geworden. «Ich bin dem ganzen Dialyseteam, dem Leiter Heimo Breuss, dem vorherigen Chefarzt Dr. Brunner und den jetzigen Ärzten Dr. Fausch, Dr. Grosse und Dr. Venzin sehr dankbar für ihre Unterstützung und Bemühungen» dieser Dank ist Roger ein grosses Anliegen.
Lesen Sie auch unseren Blogbeitrag Feriendialyse im Kantonsspital.
Weitere Informationen zu unserer Dialyseabteilung im KSGR finden Sie unter www.ksgr.ch/nephrologie.